Bücher sind seine Gefährten
Von unserem Redakteur Jürgen T. Widmer
Deutschlands heimliche Bücherhauptstadt heißt weder Leipzig hoch Frankfurt. Die meisten Bücher pro Einwohnergibtes in Katlenburg am Rande des Harzes. Dort lebt Martin Weskott. Seit der Wende gilt er als Bücherpastor' Er rettete Bücher ehemaliger DDR-Verlage vor der Vernichtung.Am Samstag, 13. November, verkauft er seine Ware in Allmendingen auf dem Bücherflohmarkt. Die Nacht von Freitag auf Samstag wird wieder mal kurz werden für Martin Weskott. Mitten in der Nacht wird er aufstehen, zusammen mit zwei freiwilligen Helfern sich auf die Autofahrt ins ungefähr 400 Kilometer entfernte Allmendingen machen. Im Gepäck hat er Bücherkisten. Hauptsache es ist nicht neblig. Die Bücher und die Strasse: Angefangen hat es 1990, direkt nach der Wende. Weskott erfuhr, dass in Leipzig zehntausende Bücher aus DDR Produktion dem Reißwolf zum Opfer fallen sollten. Ein volkswirtschaftlicher Wahnsinn", empört er sich noch heute. Also machte er sich mit einigen Freiwilligen aus der Evangelischen Gemeinde im geliehenen Kleintransporter auf, sammelte 40 000 Bände in Leipzig ein: Stefan Heym, Ernesto Cardenal, Leo Tolstoi. Der ersten Fahrt folgten weitere mittlerweile ist die Zahl der von Weskott weitergereichten Bücher auf mehr als 300 000 gestiegen. Der Erlös für "Brot für die Welt" beträgt nahezu 100 000 Euro. Jeden Sonntag nach dem Gottesdienst ist Bücherflohmarkt in der 2000-Seelen-Gemeinde Katlenburg in der Nähe von Göttingen. Ungefähr eine halbe Million Bücher stapeln sich in Katlenburg, das längst zu einer Anlaufstelle für Bücherfreunde auf der Suche nach dem Besonderen geworden ist. Wissenschaftliche Werke und Beletristik; Kinder- und Kochbücher- mittlerweile stellen auch erlage dem 52-Jährigen Makulaturware zur Verfügung.
Lesen bildet eben
Bücher sind Gefährten des Lebens“, begründet Weskott, selbst Mitglied des Schriftstellerverbandes PEN sein Engagement. Die Liebe zur Literatur, zum Buch ist das eine, Widerstand gegen die Wegwerfmentalität das andere, das ihn antreibt. gegen die Wegwerfmentalität das andere, das ihn antreibt. "Bücher weitergeben, statt wegwerfen", ist die Aktion, die von 20 ehrenamtlichen Helfern getragen wird, überschrieben. Die Weitergabe von Büchern funktioniert prächtig. Die Jugendstrafanstalt Neustrelitz profitierte bereits von einer großen Büchergabe aus Katlenburg. Wer im Lesesaal für deutsche Literatur in der Bibliothek von Shanghai sitzt, findet dort 434 Bücher, die vorher in Katlenburg lagerten. Zudem freuen sich Leser in den Ländern Osteuropas über Bücher aus Katlenburg in der' Lesesälen. .
Auch die Menschen in Katlenburg profitieren von ihrem Bücher liebenden Pastor. „Müll-Literaten lesen - Begegnungen mit ostdeutschen Literaten" heißt eine Reihe, die regelmäßig Autoren ins Gemeindehaus nach Suterode führt. Dort, in der ehemaligen Schule, lasen schon Christa Wolf und Rolf Schneider. Wie inspirierend die Begegnung mit Literatur aus dem Altpapier-Container sein kann, zeigt die jüngste Marsexpedition. Der Wissenschaftler, der die Kamerahalterung konstruierte, tat dies auch auf Grundlagen, die er einem Buch über Magnesiumsilikate entnommen hatte: gedruckt in der DDR, von Weskott entdeckt im Müll.
Lesen bildet halt doch.